Kapitel 2
Der Agent
Immer noch den trüben Gedanken der Vergangenheit nachjagend
wurde Lanes Aufmerksamkeit geweckt als ihr Datenpad zu leuchten anfing: Eine
Mail war frisch eingegangen. Sie runzelte die Stirn und starrte das kleine Pad
auf dem Sofa an.
Sie hatte es sich letzte Woche besorgt und gestern in einer Muse
Stunde mit dem Einrichten angefangen. Sie wusste gar nicht warum. Früher auf
dem Schiff hatte sie stets eins dabeigehabt. Gefüllt mit Vorbesprechungen,
Planungen, Dienstplänen, Einsatzdetails ... der ganze Scheiß eben den man immer
griffbereit hatte.
Sie hatte sich ein neues Konto eingerichtet, aber niemand
kannte es. Sie hätte auch gar nicht gewusst wem sie hätte schreiben sollen.
Jorgen? Nein sicherlich nicht. Elara? …
sie schmunzelte kurz. Die Hutten waren für ihre Werbung bekannt, ihre Versuchungen
die überall auf dem Planeten lockten, die Versprechungen... Lane war sich
sicher nur eine Massenwerbung auf dem Pad zu haben, verteilt von irgendeinem
beschissenen Senderdroiden der die Gegend abflog.
Lane schlenderte zum Pad. Das kleine blinkende grüne Licht
am Seitenrand des flachen Gehäuses nervte sie. Die Reizüberflutung auf diesem
Planeten war ihr zuwider, dennoch war es einer der wenigen Planeten die perfekt
waren um einfach abzutauchen.
Sie hatte in der ersten Woche auf Nar Shaddaa direkt Kontakt
mit einigen Informationsmaklern aufgenommen, alles diskret versteht sich. Der
Makler konnte ihr helfen unterzutauchen, er war diskret und stellte keine Fragen.
Natürlich wusste er wer sie war, aber in seinem Berufszweig stellt man den
Kunden keine unangenehmen Fragen oder warum derjenige seine Identität wechseln
wollte - inklusive biochemischer Signaturen. Es sollte einige Wochen dauern
alles in die Wege zu leiten, aber damit hatte Lane ohnehin gerechnet. Sie hatte gelernt an wen man sich wenden
konnte, wen man meiden musste. Als ehemaliger Kommandant des Chaos Trupps war
man für viele Gruppierungen ein interessantes Ziel, nicht nur für imperiale.
Sie war jetzt alleine, kein Team das ihr den Rücken stärkte,
kein Zugang zu Ressourcen der Republik und mit ihrem Lebenslauf musste man nun
wirklich nicht hausieren gehen. Klar hätte es den ein oder anderen
interessierten Hutten gegeben der ihr einen lukrativen Job bot, schon alleine
des Prestiges wegen und der wenig schmeichelhaften Tatsache, dass sie hier als
halbwegs attraktive Frau ohnehin eine interessante Ware darstellte. Aber all
das kam für sie nicht in Frage. Sie wollte mit dem ganzen Scheiß Schluss
machen, das alte Leben hinter sich lassen. Jedenfalls versuchte sie sich das
einzureden.
Ein wisch über das Display und schon erwachte das Pad zum
Leben, der Schirm flimmerte wenigstens nicht in diesem zu hellen Ton wie die
meisten billigteile. Als sie zu ihrem Konto ging und die Nachricht öffnete,
verschwand für den Bruchteil einer Sekunde ihre Gelassenheit. Sofort wanderte
ihr Blick zum Bett wo ihr Blaster lag. Gebannt schaute sie mit angespanntem
Körper zur Tür als sie die folgenden Zeilen vom Datenpad las:
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Absender: XXXX
Empfänger: ..........
Hey,
Whiskey am Morgen, ernsthaft?
Ich bring Kaffee und was zu essen mit. Dich zu beschatten
ist anstrengend.
Wir müssen reden, also schieß nicht gleich. Ich werde das
schwachsinnige System von „erst Schießen dann Fragen“ nie verstehen - erschwert
einem nur die Arbeit und die ganze Sauerei will auch keiner hinterher
wegmachen. Nicht, dass hier sowas auffallen würde, aber ich hab keinen Bock mir
hier was wegen einer falsch gereinigten Schusswunde einzufangen.
Also halt deine Waffe still, bis gleich.
JB
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Bei den letzten Zeilen musste sie schmunzeln. Es gab nur
einen Kerl der sie auf diesem Drecksmond unbemerkt beschatten könnte. Jonas
Balker dieser verdammte SID Agent - er war der letzte Mann den Lane in ihren
Leben wiedersehen wollte.
Lane war sauer, auf sich, auf ihn. Genau in diesem Moment
klopfte es an der Tür.
Lane ging Richtung Bett, holte ihre Blasterpistole und
betrachtete sie kurz. Dann schlenderte sie zum Sofa dessen Seitenende Richtung
Tür zeigte, lehnte sich lässig dran und richtete die Waffe auf die geschlossene
Tür. Einen Moment war sie versucht zu schießen. Nicht weil sie Jonas verletzen
wollte, wobei er es verdient hätte. „Nur ein kleiner Schreck“ dachte sie sich
schmunzelnd. Ihr rechter Mundwinkel ging bei dem Gedanken leicht nach oben.
Dann wurde sie wieder ernst als Jonas das zweite Mal klopfte.
"Es ist offen." Auf der anderen Seite wurde nichts
erwidert, der Knauf der Tür drehte sich. Sie hatte wahrscheinlich die letzte
Absteige Nar Shaddaas ausgewählt - ohne Karten oder Biosicherheitsschlösser.
Aber in diesem Teil Nar Shaddaas gab es nichts zu holen, wofür also die Mühe?
Die Tür ging einen Spalt auf und dann noch ein Stück. Jonas
trat herein, in der einen Hand balancierte er in einem Pappgestell zwei Kaffeebecher
in der anderen hatte er eine Tüte, was wahrscheinlich das Frühstück oder
vielleicht schon Mittagessen darstellen sollte. Lanes Magen drehte sich um,
waren ihre letzten zwei Mahlzeiten doch eher in flüssiger und brennender Form
gewesen, sie blickte kurz zur leeren Flasche.
Jonas war mittlerweile ganz hereingekommen und stieß die Tür
mit seinen linken Ellenbogen zurück. Einen leichten Tritt später war die Tür endgültig
zu.
Er musterte Lane kurz, sah ihre Waffe in der rechten Hand
schaukeln und lächelte.
"Hast du meine Nachricht nicht gelesen?" fragte er
mit einem Lächeln.
Es war komisch nach all der Zeit seine Stimme zu hören und
wie er vor ihr stand als wäre nie etwas gewesen.
Lane schmunzelte, "Doch hab ich. " Sie senkte
ihren Blick zum Blaster in ihrer rechten Hand, dann stieß sie sich leicht mit
ihrem Becken von der Sofalehne ab. Sie drehte sich zum Tisch um, streckte sich
leicht beim Bücken und legte die Waffe auf den Tisch.
Ihr fiel ein, dass sie immer noch nicht mehr als ihre
Unterhose und ein Shirt trug. Als sie
sich wieder zu Jonas umdrehte war dieser schon ein ganzes Stück auf sie
zugekommen. Er war nur wenige Schritte entfernt ... dann ganz nah. Er reichte
ihr den Kaffee und die Tüte mit Gebäck.
"Du mochtest ja dieses schrecklich süße Zeug." Er
ging ohne auf eine Aufforderung zu warten an ihr vorbei und setze sich auf den
Sessel der gegenüber dem Sofa stand.
"Süßes Zeug? Ich weiß nicht was du meinst. " Lane
setzte sich aufs Sofa und nippte am schwarzen Kaffee. Eine wohlige Wärme kroch
durch ihren Körper. Eigentlich war sie ja kein großer Fan von Kaffee, aber über
die Zeit hatte sie sich dran gewöhnt. Es floss einfach unbemerkt in den Alltag
mit ein, ein Ritual ähnlich wie das kontrollieren seiner Ausrüstung vor einem
Einsatz und das Reinigen der Waffe davor und danach.
Jonas legte seinen rechten Arm auf die Lehne des Sessels und
musterte das runtergekommene Apartment in dem Lane wohnte. Dann runzelte er die
Stirn und sah zu ihr. Lane erwiderte kurz seinen Blick, dann flüchtete sie mit
den Augen und widmete sich der Papiertüte mit irgendwelchen Gebäckteilen. Lane
hatte gelogen. Sie wusste worauf er anspielte, aber das hätte nur Wunden
aufgerissen und das wollte sie vermeiden. Aber schon bei Jonas Nachricht hatte
sie das ungute Gefühl im Magen, dass er es nicht dabei belassen würde. Ein
Kaffee unter alten Bekannten und nicht mehr wäre auch zu einfach gewesen.
Jonas räusperte sich, damit Lane gezwungen war ihn wieder
anzusehen, aber sie machte ihm den Gefallen nicht. Langsam öffnete sie die Tüte
und holte eins der Gebäckstücke heraus, ein kleiner gebackener Teig, geformt
wie eine Kugel mit viel zu viel Puderzucker, das schon beim Herausnehmen fein
nach unten rieselte. Lane biss ein Stück ab. Sie konnte nicht glauben, dass er
sich noch daran erinnerte. Innerlich musste sie schmunzeln, aber nach außen Tat
sie alles um ihre Gedanken vor ihm zu verbergen.
"Also das ist es nun? Lane, das kann doch nicht dein Ernst
sein. Ich versteh ja, dass du Ausgestiegen bist, aber sowas. Wie lange meinst
du hältst du alleine ohne Verbündete durch?" Jonas Ton war leicht aggressiv
und von ehrlicher Sorge erfüllt. Lane sah zu ihm auf, diesmal hielt sie seinen
Blick stand. "Wie immer so lange wie nötig," sie schmunzelte ihn an,
aß das letzte Stück und verschloss die Tüte wieder.
Sie lehnte sich nach hinten im Sofa zurück.
"Was soll ich deiner Meinung machen, die Scheiße weiterlaufen
lassen und die gute Soldatin spielen? Kein Interesse… und wehe du kommst mit so
einem Unsinn das ich zu euch kommen soll." Lane sah zur Decke, sie hatte
das Gefühl einen Stein im Magen zu haben.
Jonas lehnte sich im Sessel nach vorne, seine Hände legte er
auf den Tisch. Es schien fast so als wolle er ihn am liebsten wie in einem
Comic aus dem Fenster werfen.
"Lane, ich würde dir am liebsten den Hintern versohlen
und sagen ich hab es dir gesagt. Und verdammt du weißt es. Ich weiß es, ich
weiß alles Lane. Aber mir waren die Hände gefesselt. Den größten Teil habe ich
erst bei Garzas Anhörung erfahren. Klar war es eine einzige Farce. Aber du
kannst nicht alles hinschmeißen und das weißt du verdammt noch einmal
selbst."
Jonas seufzte laut dann stieß er sich vom Tisch ab und stand
auf. Lane beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus. Es hatte sich nichts
geändert. Jonas hatte diese Angewohnheit, wenn er keinen Plan in der Hinterhand
hatte, sich zu bewegen, auf und ab zu gehen und sich dabei was zu überlegen.
Meist kam dabei sogar etwas halbwegs Vernünftiges raus. Aber dieses Mal war
sich Lane da nicht sicher.
Sie schaute wieder zu ihm, er stand mit den Rücken zu ihr,
hatte seine Arme offensichtlich verschränkt.
Als sie seufzte drehte er sich zu ihr um. "Es tut mir
leid Jonas," sie schnappte nach Luft und Atmete tief ein und aus.
"Was zur Hölle erwartest du von mir. Und denk nicht einmal drüber nach ich
gehe nicht zurück."
Jonas Blick musterte ihr Gesicht. Er wusste, egal was er
sagen würde, er würde sie weder umstimmen noch irgendwie die Zeit zurückdrehen
können.
"Erinnerst du dich an unser letztes Treffen auf Nar
Shaddaa? An das Hotelzimmer und diese verrückte Sache auf Illum die alles
kaputt gemacht hat?"
Lane sah ihn mit traurigem Blick an. Mit fester Stimme
versuche sie die Erinnerungen daran zurückzudrängen. "Klar, wie hätte ich
das vergessen können, aber Illum war nicht schuld - zu mindestens nicht
alleine. Du bist abgehauen, ich hab Monatelang auf eine Nachricht von dir
gewartet."
Die Erinnerungen kehrten wie eine unaufhaltsame Welle in
Lanes Gedächtnis zurück. Was hätte sie dafür gegeben in diesem Moment darin zu
ertrinken.
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